Corona Weblog #2: das Unmögliche wird Realität

Noch Ende Februar fuhren wir gut gelaunt nach Basel um die tollen Bilder von Edward Hopper in der Fondation Beyeler zu bestaunen. Haben uns mit Freunden zum Abendessen getroffen, war ja schliesslich schon lange und vor der Corona-Krise geplant. Sind die Familie noch schnell besuchen gegangen. Heute, eine gefühlte Ewigkeit später, weiss ich, irgendwie hätte ich das vielleicht schon nicht mehr tun sollen. Und trotzdem bin ich froh darüber, es bleiben wohl die letzten Erinnerungen an das alte soziale Leben, was ich einfach so selbstverständlich hingenommen habe.

Der „Shut Down“ wurde erst vor drei Tagen von unseren Behörden verordnet. Seit Sonntag habe ich eigentlich nur gearbeitet, telefoniert, Mails oder WhatsApp geschrieben, organisiert und immer wieder die Nachrichtenlage gecheckt. Kaum geschlafen.

Denke gerade über eine kleine Begebenheit nach. Meine fitte 88 jährige Schwiegermutter fuhr noch Ende Februar abends mitten im Pendlerverkehr mit dem Zug in die Stadt um Kaffeekapseln zu kaufen. Wir haben uns kopfschüttelnd darüber amüsiert. Mich beschleicht das Gefühl, dass auch ich und vielleicht viele in meinem Umfeld die Phase «besondere Lage», welche der Bundesrat am 28. Februar 2020 ausrief, zu locker genommen haben. Obwohl wir eigentlich begriffen hatten worum es geht. So gesehen bin ich froh, dass unsere Regierung den „Shut Down“ ausgerufen hat. Damit wissen wir alle woran wir uns halten müssen. Und können ganz fest hoffen, dass es nicht zu spät ist.

Natürlich habe ich Ängste um die Gesellschaft, um uns, um die Wirtschaft, um die Firma für die ich arbeiten darf und es beschleichen mich Existenzängste. Doch wir sind alle betroffen, die ganze Schweiz, ganz Europa. Jetzt braucht es Kraft.

Vieles  ist so surreal. Draussen der Frühling, die Sonne. Gehe ich in den Supermarkt muss ich die Hände desinfizieren und bekomme eine Nummer in die Hand gedrückt – dann ist wieder alles wie im früheren Alltag. Die Gestelle sind voll, es ist alles da. Also fast alles.

Ich arbeite in einem Betrieb der im Moment – reduziert zwar – weiter läuft. Die meisten von uns haben das Homeoffice bezogen und die Zusammenarbeit funktioniert. Obwohl viel kommuniziert wird ist es gespenstisch. Ich habe noch das Privileg am Morgen im Betrieb zu arbeiten und kann hier auf dem Land das Auto für die Fahrt in die Firma nehmen. Im Betrieb ist es sehr ruhig, es ist nur noch hier, wer wirklich nicht ins Homeoffice kann. So sitzt vielleicht noch ein einzelner in den grossen Mehrplatz-Büros.

Am morgen öffne ich den Haupteingang und lasse dies weit offen – damit der Pöstler seine Post reinstellen kann. Er darf nicht mehr ins Haus kommen und schon gar keine Türklinken berühren. Er meldet laut “die Post ist da”, die Einschreiben unterzeichnet er gleich selbst. Aus grosser Distanz winken wir uns gegenseitig zu und wünschen uns einen schönen Tag!

Auch die Kaffeemaschine läuft noch – der Touch Screen wird regelmässig desinfiziert. Ich wasche mit zuerst die Hände und dann gibt es mal ein Kaffee. Doch kein Kollege schaut aus irgendeinem Büro und kommt dazu. Die “Kaffeemaschinen-Kommunikation” hatte bei uns Tradition. Ich will schon fast “früher” sagen. Da stehe ich nun zusammen mit der Kaffeemaschine und nehme einen Schluck vom Kaffee. Gehe zurück in mein Einzelbüro, wo ich normalerweise viele Besprechungen führe. Ich fange an zu telefonieren, fühle mich dabei ganz alleine, rundherum ist es ruhig. Ganz selten schaut mal ein Spartenchef herein und wir besprechen uns – in grosser Distanz. Meistens gehen wir sogar raus und besprechen uns auf dem Parkplatz.

Erst seit ein paar Tagen ist der “Shut Down” her und ich bin jetzt schon dankbar über diese wenige bis vor kurzem so selbstverständlichen Kontakte.

Nachmittags übernimmt dann meine Kollegin in der Firma quasi die Schicht und für mich heisst es dann “work at home”, zusammen mit meiner Frau die auch Homeoffice hat.

Blick aus meinem Homeoffice – die Berge scheinen aus einer anderen Welt!

Während ich hier drin über Anträge an die Behörden rumrätsle, scheint draussen die Sonne. Ich höre lachende Kinder, ein Grossvater spielt mit seinem Enkel Tischtennis. Gestern war das noch normal. Heute wirkt es surreal.

Das Unmöglich ist realistisch, das Undenkbare wird denkbar! Daher glaube ich, dass unser Bundesrat morgen die Massnahmen weiter verschärfen wird. Vielleicht fahren die Panzer unserer Armee für die totale Ausgangssperre noch nicht auf. Vielleicht kommt diese in abgeschwächter Form nur für Menschen über 65 Jahre, eher aber ein strengeres Versammlungsverbot, sicher aber neue Regeln auf Baustellen oder ein Baustellenstopp. Vielleicht wartet der Bundesrat das Wochenende ab und schaut, wie stark sich die Menschen in unserem Land zusammenreissen. Alles Spekulationen und diese sind in diesen Tagen gar nichts wert. Für den Samstag, dies ist fast schon eine erfreuliche Nachricht, ist Regen angekündigt.

Bleibt gelassen, handeln wir wie es der Bundesrat von uns verlangt. Und bleibt alle gesund, wo auch immer ihr seid!

Die Medienhäuser NZZ, CH Media, SRG, Ringier und TX Group, zu der auch 20 Minuten gehört, haben sich zusammengetan. Sie bitten die Schweizer Bevölkerung gemeinsam am 20. März um 12.30 Uhr 60 Sekunden lang innezuhalten und zu klatschen – auf dem Balkon, auf der Strasse oder wo auch immer Sie sind. Machen Sie mit und erzählen Sie Ihren Familien, Freunden und Kollegen davon. Ich mach mit!

Pflegerinnen und Pfleger, Ärzte und Ärztinnen oder ApothekerInnen und viele andere stehen zuvorderst an der Corona-Front. Sie helfen den schwer Erkrankten und geben tagtäglich alles, damit wir diese schwere Zeit möglichst gut überstehen und uns sicher fühlen.

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