Corona Weblog #5: Krisen-Alltag

Es ist bei mir so etwas wie Krisen-Alltag eingezogen, dies habe ich inzwischen akzeptiert. Nun hätte ich versuchen können meiner Umwelt vorzuwerfen, dass ich mir das Ganze wirklich anders vorgestellt habe. Allerdings dafür hatte ich bisher gar keine Zeit. Wäre sowieso nur anstrengend geworden, es ist besser meine Energie für den konstruktiven Umgang mit dieser Ausnahmesituation zu brauchen. Und es ist ja nicht so, dass ich zu Hause bleibe und arbeite, weil ich eingesperrt wurde, sondern weil ich das so will. So kann ich etwas dazu beitragen andere Menschen zu schützen. Denn wenn wir uns alle daran halten, geht die Krise schneller vorbei. Wir können damit Ärzten, den Menschen im Gesundheitswesen und vielen anderen, die gerade unter maximalem Einsatz arbeiten, helfen, das Ganze irgendwie zu bewältigen. Und wir schinden Zeit, Impfstoffe und Medikamente zu entwickeln. 

Wer nicht raus muss, der arbeitet im Homeoffice, So arbeitet wohl die halbe Schweiz seit dem Lock Down daheim. Doch ist Homeoffice lässig?

In vielen Telefon-Gesprächen heisst die erste Frage: «Sind Sie auch im Homeoffice?» Die Antwort schafft sofort Vertrauen. Früher wurde noch etwas über das Wetter geplauderte, heute wird über den Ausnahmezustand philosophiert. 

Work at home? Wie fühlt sich dies an? Dazu noch die “Ausgangssperre light”.

 
In der ersten Woche hatte ich gar keine Zeit darüber nachzudenken, da ein Teil meiner Arbeit war, mitzuhelfen unseren Betrieb auf Krisenmodus umzustellen und die Homeoffices zu organisieren. Mein eigenes Homeoffice war daher anfänglich nur auf mein Notebook beschränkt. Inzwischen stehen allerdings zwei Bildschirme und Drucker (um die analoge Welt zu bedienen) auf einem alten emotionslosen Bürotisch aus den 1990er. Die Kabel hingeworfen. Ein alter Besprechungsstuhl gibt mir Sitzgelegenheit. 

Und nun? Videokonferenzen, WhatsApp, E-Mail, Chat, DMS, usw. – alles bereits Alltag und für einen Teamworker grauenhaft. Effizient? Nicht wirklich! Alles braucht viel Zeit. Was man normalerweise kurz besprechen kann, braucht jetzt umständliche Mails, langatmige Chats oder sogar Videokonferenzen. Mit meinem ganzen Team habe ich Zeitfenster vereinbart, wo wir uns austauschen, die Arbeitsfortschritte, Lösungen und Planungen besprechen. Nach einem Tag brummt mir nur noch der Kopf, meistens geht es nicht unter 12 Stunden.

Bei mir selber beobachte ich inzwischen gewisse Verluderungstendenzen. Ich ziehe immer dieselbe Jeans an. Aber das gleiche beobachte ich bei meinen Kollegen und Kolleginnen an den schlecht ausgeleuchteten Videokonferenzen ebenfalls, die meisten erscheinen immer im gleichen Style. 

Immer mehr spüre ich wie Selbstmanagement in diesen Krisenzeiten für mich wichtiger wird. Noch habe ich keine Strukturen für mich gefunden, die Tage fressen mich zeitlich einfach auf. Nur ein mal habe ich es zu einem Spaziergang abends geschafft, aber so toll ist es nun auch nicht, wenn einem die Menschen auf dem Trottoir ausweichen und einen grossen Bogen um mich herum machen.

Soziale Distanz ist nicht toll, aber das Beste, was wir gerade tun können. Und bald kommt wohl das nächste Ding was ich mir nie vorstellen konnte: Treffe ich draussen auf andere Menschen heisst es wohl in Zukunft Maske auf! Aber auch das werde ich noch schaffen, wenn es dann zur Normalisierung beiträgt.

Bild: Skulptur «Turm» des Künstlers Stephan Balkenhol, Schloss Wolfsberg, Thurgau

Die männliche Figur mit schwarzer Hose und weissem Hemd ist für die Kunstwerke von Stefan Balkenhol typisch. Eine ähnliche Figur, allerdings viel berühmter, steht auf der „Balkenhol-Mozartkugel“ in Salzburg auf dem Kapitelplatz. (Sphaera)

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