Corona Weblog #14: In der zweiten Welle

Im Frühjahr fühlte ich während des Lockdowns eine Angst. Vor diesem unbekannten Virus und der Krankheit. In dieser zweiten Welle ist Angst noch da, aber diese gehört den betagten Familienangehörigen. Jetzt verspüre ich Verdruss. Wann hat das alles einmal ein Ende?

Dabei ist im Gegensatz zur ersten Welle das Virus richtig real. Bei mir im Betrieb wurde ein Abteilung in Quarantäne gesetzt, nachdem dort zwei positiv getestet wurden. Quasi im Büro nebenan. Und in meinem Umfeld höre ich oft “der hat Covid”!

Wann erwischt es mich? Nur noch eine Frage der Zeit?

Im Sommer noch war das Virus etwas in den Hintergrund gerückt, jetzt bin ich vorsichtiger geworden. Arbeite im Homeoffice, habe meine sozialen Kontakte auf fast Null zurückgefahren und bleibe sonst auch Zuhause. Doch bin ich verwirrt, habe gemischte Gefühle. Weil die Menschen ihre Welten trennen, in ihren Welten weiterleben. Die meisten sind vorsichtig, wenige machen unbekümmert weiter.

Die zweite Welle trifft uns mit voller Wucht

Dann versuche ich mir klar zu machen, dass mein Verhalten solidarisch ist und daher vernünftig. Doch dieser Weg ist langweilig, jeden Tag Homeoffice. Und wenn ich dann schon viele Tage durchgehalten habe, kann ich mich nicht einmal selbst belohnen. Es gibt ja (fast) nichts. Ein Luxus für mich ist die Natur und meine Kamera. Hier kann ich ausschweifen ohne in den Dichtestress zu kommen. Hilft gegen meine innere Unruhe und den Stillstand da draussen.

Die Fallzahlen und der Ansturm von Kranken auf die Spitäler machen mich skeptisch, ob der “Slow Down”, damit auf die Eigenverantwortung der Bevölkerung zu setzen, richtig ist. “Massnahmen” kontra “Eigenverantwortung”? Bin ich auf der “falschen” Seite? Eine leise Enttäuschung hat sich bei mir eingenistet. Sind wir Menschen nicht fähig selber auf den Virus zu reagieren? Können wir uns nicht solidarisch gegenseitig davor schützen. Es scheint dort den Virus besser im Griff zu sein, wo Massnahmen angeordnet werden, der Staat klare Regeln durchgibt und die Menschen eher autoritätsgläubig sind.

Sind die „Unbekümmerten“ in der Ausübung ihrer Freiheit im Recht? Also jene die keine Masken oder diese unter der Nase tragen, keinen Abstand halten, sich die Hände nicht waschen und Partys veranstalten. „No-Mask“ sogar als politische Einstellung verstehen. Meine Antwort darauf ist nein! Denn steckt so jemand in seiner Unachtsamkeit zwanzig Personen an, dann ist bei einer Sterblichkeit von 0.5% die Wahrscheinlichkeit bei 10% dass einem dieser angesteckten Menschen das Leben genommen wird.

Die “Unbekümmerten” beeinflussen die “Vernünftigen”, es sind die “Vernünftigen” die sich ändern, wenn diese sehen, dass sich die anderen darüber hinwegsetzen. Bei vielen von uns ist so das allgemeine Verhalten über die Sommermonate gekippt. 

Verantwortungsbewusstsein, Einsicht und Kooperationsbereitschaft könnte vor Freiheitsverlust und einer noch schwereren Wirtschaftskrise bewahren, die der zweite Lockdown mit sich bringt. Experiment “Eigenverantwortung” gescheitert? Muss der Virus bei uns durch ganz klare Regeln mitsamt Sanktionen wie etwa Bussen und öffentliche Kontrollen eingedämmt werden? In dem sozialer Druck ausgeübt wird?

Schade und „Hello Lockdown zwei“!

Oder nicht? Ein bisschen Hoffnung keimt auf, beim Blick auf die Fallzahlen. Diese sind erstmals rückläufig.

Und dann gestern Abend noch die Meldung, dass ein deutscher Hersteller die Zulassung für einen vielversprechenden Impfstoff bereits kommende Woche beantragen wird. Bringt dies die Wende? Es macht wenigstens Hoffnung und gibt Kraft, damit wir dies alles in den nächsten Wochen und Monaten durchstehen.

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