Corona WebLog #30: Durchseuchungswelle

Meine Zuversicht im Frühsommer war gross, dass wir am Ende der Pandemie stehen. Die Aussicht lockte, dass wir bald ohne Masken einkaufen könnten und das vieldiskutierte Covid-Zertifikat gar nicht erst brauchen. Stattdessen rollt gerade die Durchseuchungswelle über uns und ich musste (wieder) erkennen, dass ein Ende dieser Pandemie nicht absehbar ist.
Nehmen wir an, ich hätte Streit mit meiner Partnerin, unser Zusammenleben ist durch Krisen geschüttelt. Wir versuchen über eine Paarberatung unsere Partnerschaft noch zu retten. Allerdings kommt diese zum Schluss, wir sollten unsere Krise doch einfach so wie sie ist akzeptieren und dies als das “New Normal” betrachten!
Genauso geht es uns jetzt als Gesellschaft. Was gestern noch die Pandemie war ist nun das “New Normal”. Wir wurden Anfang August von der Regierung in die Normalisierungsphase entlassen. Dahinter steht eine Durchseuchungsstrategie. Für uns alle bedeutet dies, dass sich der Staat zurückzieht und jeder die Verantwortung für sich selber übernimmt. Die Regierung schützt nur noch die Spitalstrukturen und nicht mehr die (ungeimpfte) Bevölkerung.
Kaum in der Normalisierungsphase stiegen die Infektionen kontinuierlich an.
Natürlich sehe ich ein, dass sich bei der Bekämpfung des Virus allein an den Infektionszahlen auszurichten keinen Sinn mehr macht. Jeder der es will konnte und kann sich ja gegen das Virus impfen lassen und sich damit gegen eine schwere Erkrankung schützen. Viel wichtiger ist die Situation in den Spitälern: Dort scheint die Lage angespannt. Die Spitaleintritte nehmen seither von Woche zu Woche stark zu. Erste Spitäler verschieben Operationen.
Diese Durchseuchungsstrategie ist das Ergebnis der “Verpolitisierung” des Virus. Einige eifrige Partei-Politiker stellten den Wahlkampf über die Gesundheit der Bevölkerung. Lauthals wurde die Abschaffung aller Schutzmassnahmen gefordert, die Impfung torpediert und das Covid-Zertifkat als erster Schritt in die Diktatur hochstilisiert.
Faktisch hat die Impfung bestehende, ideologische Gräben derart aufgerissen und uns erst vor Augen geführt, wie viele Verwerfungen es in unserer Gesellschaft gibt. So stellen sich bei mir Fragen: Wie soll sich in der Diskussion um die Impfung zwischen der disziplinierten, stillen Mehrheit und den lauten, dogmatischen „Trychlern” ein Konsens bilden? Wird die Mehrheit der Bevölkerung nicht durch uneinsichtige Randgruppen diskriminiert?
Die logische Konsequenz aus diesem heftigen politischen Diskurs ist die Durchseuchung der Bevölkerung. Ein typischer eidgenössischer Kompromiss. Die einen, die wollten, durften sich Impfen lassen. Die anderen, welche die Impfung nicht wollten, haben ihr Recht auf “Unversehrtheit ihres Körpers” oder ihre vermeintlichen Freiheiten scheinbar zurückgewonnen.
Haben die Politiker die Rechnung ohne die Diaspora gemacht?
Insbesondere die verschiedenen Diaspora-Gruppen aus Südosteuropa gingen einfach vergessen. Viele dieser Menschen leben und arbeiten zwar in unserem Land, orientieren sich aber weitgehend an ihren Herkunftsländern. Diese Kreise sind über Skype, Whatsapp oder Viber permanent verbunden mit Verwandten und Freunden im Ursprungsland. Verinnerlichten deren grosse Impfskepsis. Mit den Reisebeschränkungen vom letzten Jahr in Erinnerung reisten viele ungeimpfte Diaspora in diesem Sommer in ihre Ursprungsländer. Feierten in dieser Zeit wie schon immer zusammen mit ihren Freunden und Verwandten unbeschwert all die Feste die in ihren Kulturen gefeiert werden müssen. Dies hat leider dazu geführt, dass sich die Delta-Variante in diesen Ländern explosionsartig verbreitete. Viele infizierten sich, nicht wenige wurden hospitalisiert. Dies hat zur Folge, dass auf den Intensivstationen der Schweizer Spitäler überdurchschnittliche viele Reiserückkehrer aus Südosteuropa als Covid-Patienten liegen. Damit belasten diese zusätzlich zu den “geplanten” Corona-Fällen die Spitäler und bringen diese an den Anschlag ihrer Kapazitäten.
Das Virus bleibt gefährlich. SARS-CoV-2 führt bei uns Menschen in vielen Fällen zu einer ansteckenden, gefährlichen Krankheit. Die Impfung wäre daher ein Akt der Solidarität. Gegenüber unseren Mitmenschen. Gegenüber jenen die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können. Und gegenüber den Ärzten und dem Pflegepersonal in den Spitälern, die von den vorgängigen Wellen bereits ausgebrannt sind. Einfacher gesagt, die Impfung mit einem mRNA-Impfstoff gegen das Virus wäre „Bürgerpflicht“.
Anstatt gemeinsam und solidarisch dem Corona-Virus den Nährboden zu entziehen stecken wir jetzt mitten in der Durchseuchungsphase. In der Pandemie der Ungeimpften.
Über allem läuten dämonenhaft die tiefen, dunklen Glocken der Trychler.
Bei mir verbleibt ein ungutes Gefühl. Die steigenden Fallzahlen kombiniert mit der aktuellen Impfquote in der Schweiz – die tiefste in Westeuropa – lassen die kommende Entwicklung im Herbst und das damit verbundene Leid erahnen.
Stay well and safe!
Der CoronaWebLog ist mein “Corona-Online-Journal” – hier schriebe ich einfach immer mal wieder über meine Beobachtungen und Gefühle in der Corona Krise
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[…] hohe Anzahl an Infizierten gemeldet, täglich werden es viele mehr. Unsere Regierung zieht die Durchseuchungstrategie voll durch. Allerdings die Wette könnte aufgehen: Derzeit entwickeln sich die Hospitalisierungen […]
Danke für deinen sehr interessanten Bericht😊. Anfang August bin ich auf Schweizer Jakobswegen gepilgert und innerhalb von wenigen Tagen ist die Inzidenz rapide gestiegen. Gleichzeitig beobachtete ich eine gewisse Lässigkeit bei den Schutzmaßnahmen, die mir als Geimpfte zwar nichts ausmachte, die ich aber nicht verstanden habe. Dass das Ganze auf Durchseuchung abzielen könnte, habe ich nicht gedacht. Nicht ganz klar ist mir, ob das, selbst in einem Land mit einer vergleichsweise kleinen Bevölkerung wie der Schweiz, überhaupt funktioniert. Ich hoffe sehr, dass sich in der Schweiz wie auch bei uns noch viel mehr Menschen impfen lassen, was mir erfolgversprechender erscheint.
Vielen Dank für Deine Beobachtungen. Der liberale «Schweizer Weg» ist ungewöhnlich und auch ich bin gespannt wohin dieser uns noch führen wird. Wenigstens scheint sich Deine Hoffnung zu erfüllen, die Impfquote nimmt derzeit wieder zu. LG & stay well and safe. Michael (P.S. Bin übrigens letztes Jahr den Schwabenweg von Konstanz nach Einsiedeln gewandert.)
Deine Posts kenne ich und sie haben mir
gut gefallen. Meinen derzeit letzten Beitrag kannst du hier sehen:https://wordpress.com/post/wanderlustig2019.wordpress.com/14360
Danke ! Deine schönen Posts kenne ich. Meinen derzeit letzten Beitrag aus der Schweiz findest du hier
https://wanderlustig2019.wordpress.com/wp-admin/post.php?post=3666&action=edit
Ich gehöre zu jenen, die sich nicht impfen lassen werden und trage auch die Konsequenz, ebenso wie alle Geimpften. Meine Konsequenz ist direkt und unmittelbar, die der Geimpften wird sich noch zeigen, bzw. tut es bereits. Geimpfte vergessen zu leicht, dass sie Corona bekommen können und auch ansteckend sind. So verschwindet keinVirus, er ist schnell und mutiert.
Bzgl. Spitalbetten: im Kanton St. Gallen wurden 3 Krankenhäuser geschlossen. Seltsam🤔Und wir alle haben ein perfekt funktionierendes Immunsystem, (abhängig von Vorerkrankungen etc), weshalb vertrauen wir nicht darauf? Zum Glück kann mir niemand den Aufenthalt in der Natur verbieten, denn sie ist wahrhaftig und authentisch. Alles Liebe Erika
Hallo Erika, vielen herzlichen Dank für Deine Sichtweise. Ich lasse diese einfach so stehen. In meinem Umfeld sind einige Ungeimpfte erkrankt und derzeit in Isolation. Leider sind zwei davon schwer erkrankt. Dahin geht vor allem meine Sorge. Darum pass auf Dich auf und bleib vor allem gesund! Liebe Grüsse Michael
Du auch lieber Michael
Ich hätte mir auch gewünscht, dass sich alle impfen lassen und wir wieder zur Normalität wechseln könnten. Zum Glück kann ich wieder jederzeit als Geimpfte meine Mutter im Pflegeheim besuchen und muss auch nicht mehr jedes Mal den Schnelltest machen. Ich bin gespannt wie sich der Winter entwickelt.
LG Andrea
Liebe Andrea, ich glaube so geht es uns allen. Und ja, ich habe auch etwas Bauchweh, was den Winter betrifft. Liebe Grüsse Michael
wir werden diesen virus nicht besiegen können und müssen es auch mal akzeptieren !
Eine Impfquote von 80 % oder mehr werden wir nicht erreichen. Ich finde es auch langsam ätzend wenn Politiker über Aufklärung reden. Das hören wir jetzt seit 1,5 Jahren und ich glaube ist gibt auf dieser Welt niemand der das Wort “Corona” nicht kennt.
Die die sich weigern werden es auch in Zukunft tun ! Als einzigste Möglichkeit noch ein paar Prozent hinzuzulegen ist das ” Geld” ! Wenn es Geld kostet überlegt mancher ob er es doch tun soll !
Die Tests müssen selbst bezahlt werden bis es vielleicht dem ein oder anderen auch weh tut im Geldbeutel !
Dies kann nicht mehr aus Steuergeld bezahlt werden.
Ferner hoffe ich das die Gastronomie von ihrem Hausrecht Gebrauch macht und die 2-G Regel einführt !
Wenn ich eine Impfung verweigere ist das ok , aber dann bitte auch mit den Konsequenzen leben !
Hallo Manni, Danke für Deine Meinung und Deinen Kommentar. Diesen lasse ich auch gerne so stehen. Glg Michael
Kein Thema !!
Danke für die Betrachtung aus der Schweiz. Hier, rheinaufwärts ist es auch nicht viel anders – gerade auch im Wahlkampf.
Gute Wünsche!
Auch nicht schön zu hören, aber von hier aus sieht es „rheinaufwärts“ immer etwas disziplinierter aus, mehr Demut vor den Fakten. Danke für Dein Feedback und auch Dir alles Gute! LG Michael
Je nach Blickwinkel: rheinabwärts …
Herzlich Bernd
Ich meinte auch „stromabwärts“ … 😉
Das sehe ich leider genauso. Zurzeit braucht es viel Toleranz, um jene, die sich gegen die Massnahmen stellen, zu akzeptieren, wie sie halt sind.
LG Franz
Hallo Franz, Danke für Deinen Kommentar und Du hast wirklich recht, es braucht zur Zeit sehr viel Toleranz. Liebe Grüsse Michael