Winterferien in Island – an den Eiswind angepasst

Kaum verwunderlich ist, dass es auf Island auch bei den Jahreszeiten „extrem“ zu und her geht, denn die Isländer verzichten auf den Frühling und den Herbst, zumindest nach dem alten isländischen Kalender. Dieser unterschied nur zwei Jahreszeiten und teilte die Monate dementsprechend in Sommer und Winter auf. So beginnt der Winter auf Island bereits Ende Oktober.
Kaum hat der Winter Ende Oktober angefangen, inszeniert er sich, als wäre er Teil einer Szenerie in einem Film. Die Insel überrascht mit atemberaubenden Himmelsfarben, hohen Chancen auf Nordlichter, einem Winterwonderland und heisse Quellen. Und garantiert ein bisschen Abenteuer bei traumhafter Entspannung. Wundervolle Winterferien in Island – an den Eiswind angepasst – sind möglich.
Island im Winter – wunderschön atemberaubend

Von heissen Quellen
Es blubbert, brodelt und zischt. In den klaren, blauen Winterhimmel steigen dichte Dampfsäulen; weit und breit weilt keine Menschenseele. Ich stehe an den heissen Quellen von Námaskarð. Im Sommer wimmelt es in diesem Hochtemperaturgebiet von Touristen, jetzt anfangs Winter sind meine Partnerin und ich alleine. In Gedanken sehe ich uns schon in einem mit warmen Quellwasser gespiesenen Naturpool liegen, entspannen, umgeben von Lavafeldern, Schnee und Eis. Doch hier im Krafla-Gebiet bin ich dafür am falschen Orten, denn wenn die Isländer von Hochtemperaturgebieten und heissen Quellen reden, dann von jenen Orten, wo ihre Energie entspringt. Und an diesen Orten will ich dann doch lieber nicht baden.
100 Grad heiss schiesst das Wasser hier aus den Quellen, Solfataren rauchen und die Schlammvulkane dampfen und zischen. Unweit von hier – oben am Krafla-Vulkan – wird in einem Geothermalwerk aus dem heissen Dampf, der aus dem Boden schiesst, Strom erzeugt.

Tatsächlich schiesst dieses heisse Wasser auf der ganzen Insel fast überall aus dem Boden. Im Südwesten beispielsweise im berühmten Hochtemperaturgebiet Haukadalur (Geysir) oder auf der Halbinsel Reykjanes. Fast in ganz Island werden damit Wohnungen, Gewächshäuser, Schwimmbäder und Sporthallen beheizt. Im Winter sind sogar die Trottoirs in Reykjavik beheizt. Und in vielen Hotels sprudelt es direkt aus dem Wasserhahn. Zugegeben, der Nase schmeichelt das schwefelhaltige Wasser nicht wirklich – dafür ist es gesund und gut für die Haut.
Im Hotpot
Am nächsten Tag komme ich dann doch zu meinem Bad. Unser Ferienhaus verfügt über einen grossen Hotpot mit direkter Fjordsicht. Dieser wird durch eine eigene Heisswasserquelle gespiesen. Die Einlauftemperatur misst 40 Grad. Der Wind bläst über den Inselfjord, Schnee wirbelt auf und die Sonne verschwindet langsam hinter den Bergen. Es ist 15 Uhr, Dämmerstimmung. In Badehose und Wollmütze gehe ich Barfuss über die Holz-Terrasse. Kontakt zu Schnee und Eis lässt sich nicht vermeiden, ist aber schon wenig später vergessen, als ich im gut 37 Grad warmen Wasser sitze, zurücklehne und das Farbenspiel am Himmel beobachte. Gelb mischt sich mit Blau und Orange. Zartes Rosarot schimmert zwischen den wattebauschigen Wolken hindurch. Der Himmel inszeniert sich, als wäre er eine Filmkulisse.

In Island gibt es auch zahlreiche natürliche Bäder, zum Beispiel im Víti-Krater oder in einem Fluss in Landmannalaugar. Die Temperaturen messen je nach Ort zwischen 20 und 60 Grad. Wer also an unbewachter Stelle in eine heisse Quelle steigt, sollte sich vorsichtig herantasten. Die bekanntesten Bäder, die Blaue Lagune zwischen Reykjavík und Flughafen sowie das Naturbad Mývatn im Norden der Insel, haben ganzjährig geöffnet und sind jeweils sehr gut besucht. Neu ist die Forest Lagoon in Akureyri. Einige der Quellen liegen auch im Hochland, das im Winter nicht befahrbar ist.

Baden mitten in der Wüste
Meine Erinnerung schweift ab zu einer dieser Quellen im Hochland. Ungewöhnlich spät im Herbst unternahmen wir vor einiger Zeit mit dem Jeep eine “Off Road-Tour” ins Hochland. Es hatte noch nicht geschneit und es lagen ein paar trockene Tage hinter uns, so dass die vielen Furten durch Bäche und Flüsse noch passierbar waren. Unser Ziel war die geothermische Oase von Laugafjell. Eine Oase in der Stein- und Sandwüste zwischen den Gletschern Hofsjokull und Vatnajokull. Laugafjell liegt etwa 25 km westlich der bekanntesten Hochlandroute “Sprengisandur”.

An den nordwestlichen Hängen des Berges Laugafell sprudeln heisse Quellen und versorgen drei im Sommer geöffnete Berghütten. Dort gibt es auch einen wunderschönen Naturpool. Jetzt im Herbst hatte der Hüttenwart die Häuser schon längst geschlossen, doch für Reisende ausserhalb der Saison wird die beheizte Garderobe und das WC offen gelassen. Es war zwar Spät-Herbst, aber das Wetter spielte für isländische Verhältnisse verrückt – ein Sommertag im Hochland! Nach einer rund drei stündigen Fahrt auf unwegsamen Jeep-Tracks, picknickten wir windgeschützt vor einer der Hütten und genossen die wärmende Sonne. Meine Partnerin und ich zogen danach die warmen Funktionskleider aus und tauchten in das warme Wasser des Naturpools ein. Ein wunderbares Gefühl. So schnell brachte uns hier niemand mehr hinaus. Alles war so ruhig und friedlich und doch auch surreal hier mitten in der Wüste des isländischen Hochlandes. Wir fühlten uns eins mit der Natur und genossen diesen Augenblick.


Vom Eiswinde verweht
Während ich am Inselfjord meinen Erinnerungen nachhänge und immer noch dem Rauschen des Windes lausche, kippte einige Kilometer weiter südlich ein Lieferwagen von der Strasse. Leider sind solche Unfälle — verursacht durch den starken Wind — nicht selten. Oft werden gerade Touristen von starken Stürmen überrascht und verkennen die Gefahr. IsländerInnen dagegen wissen, wo sie Wettervorhersagen abrufen können, und sie wissen diese einzuschätzen. Am Flughafen Keflavík hat man sich an den Wind sogar angepasst: Es gibt zwei Start- und Landebahnen in zwei verschiedenen Windrichtungen. Dies erlaubt es den Isländern, selbst bei grossen Windstärken den Flugplan einzuhalten.

Hier am Fjord hat der Wind merklich nachgelassen, ich greife nach meinem Handtuch und husche schnell ins warme Haus.
Die Wetterkapriolen habe ich in den letzten Tagen selber kennengelernt: Plötzlicher Schneesturm, Sonne von morgens bis abends, Föhn, Nebel, Eisregen. Es ist der Wind, der für die schnellen Wetteränderungen sorgt. Somit stehen die Chancen gut, dass sich während eines Islandaufenthalts auch einmal die Sonne zeigt. Während der dunkelsten Jahreszeit zwischen Anfang und Ende Dezember kommt die Sonne zwar nur kurz über den Horizont, aber die schönsten Dämmerstimmungen zeichnet sie allemal an den Himmel. Nicht zu vergessen die Nordlichter: Oft vor Mitternacht stehe ich dann sprachlos auf der Terrasse unseres Ferienhaus und bestaune das funkelnde Grün am Sternenhimmel. Von den Bergen übers Meer bis hinters Haus zieht sich das Naturspektakel. Magische Polarlichter!

Buckelwale und Orcas vor der Haustüre
Am nächsten Tag stehen wir in Hjalteyri, einer stillgelegten Heringsfabrik am Inselfjord. Meine Partnerin klatscht in die Hände, hüpft vom einen aufs andere Bein, die Augen leuchten. «Soeben ist ein Wal hier vorbeigeschwommen. Ungefähr zehn Meter neben mir!»
Es ist tatsächlich so, hier im 60 km langen Inselfjord tummeln sich das ganze Jahr Wale, sogar Buckelwale und Orcas. Orcas sind übrigens in Island geschützt. Dieses Glück haben nicht alle Wale. Minkwale beispielsweise werden noch gefangen.

Hier an der alten Heringsfabrik gibt es sogar einen Hochsitz. Ein Wal sehen wir an diesem Tag nicht mehr, aber dafür Basstölpel, Eiderenten und Kormorane. Wir sitzen noch lange auf diesem Hochsitz, während der Wind die letzten Wolken vertrieb und einmal mehr die winterliche Sonne die Landschaft in Szene setzt. Allerdings kann man dies mit der Walbeobachtung am Inselfjord einfacher haben: von Akureyri aus wird Whale Watching mit modernen Booten angeboten – auch im Winter.

Zum Abendessen – Arctic Char
Später im Ferienhaus machen wir uns gemütlich und kochen gemeinsam uns Abendessen. Ich habe in einem schönen Fischshop in Akureyri Fischfilets vom Arctic Char gekauft. Der Eismeersaibling kommt hier frisch aus der Region – bei diesem feinem Fisch lässt sich das kristallklare Wasser, die schroffen Vulkanlandschaften und die pure Natur schmecken. Der Arctic Char besticht nicht nur mit seinem aufregenden Namen, sondern auch mit feinem Geschmack. An diesem Abend gare ich diesen auf dem Gill in der Alufolie mit etwas frischem Gemüse aus den isländischen Gewächshäuser, dazu gibt es ein Glas von einem elsässischen Weisswein, den ich in der Vinbudin gekauft habe.
Beim Abendessen planen wir den nächsten Tag – wir wollen morgen rüber auf die Halbinsel Tröllaskagi.
Tröllaskagi – das unbekannte, bekannte Island
So sind wir am nächsten Morgen unterwegs in Richtung Hochtal Lágheiði – eine unbefestigte Passstrasse die quer durch die Halbinsel Tröllaskagi führt. Es ist wieder ein wolkenloser Tag – blauer Himmel! Die Sonne scheint auf Berge und Meer, beleuchtet gefrorene Wasserfälle.

Die Landschaft wechselt stets: die Tundra unter weissem Schnee, dazwischen grüne Moosflächen und Basaltformationen. An den Küsten ist manchmal flach, mal ragen die Berge direkt hinein ins Meer. Das ist Tröllaskagi – trotz seiner Vielfalt wird die Halbinsel von Touristen auch im Sommer kaum besucht. Dabei gibt es hier vieles was Island zu bieten hat. Sogar das bekannteste Skigebiet in Island findet sich hier. Und vor allem: kaum Bäume. Darum hat der eisige Wind hier ein leichtes Spiel.

Magische Nordlichter
Für diese Nacht ist am Inselfjord wieder wolkenfreier Himmel angesagt, plus eine hohe Nordlichtaktivität. Etwas aufgeregt und leicht nervös habe ich mein ganzes Kameraequipement aufgebaut – für einmal direkt hier im Garten unseres Ferienhauses. Wir haben von hier einen wunderschönen Weitblick auf den Fjord und die Lichtverschmutzung hält sich hier in Grenzen.

Es ist schon lange stockdunkel und es passiert nichts. Im Faserpelz, Jacke, Handschuhe, Schal und Mütze stehe ich hier draussen in der Kälte. Plötzlich steigt ein weisses Band hinter den Bergen den Himmel hoch – es ähnelt einem Nebelstreifen. Später wird das Band ganz dünn, pastell grün und es verharrt so eine ganze Weile, verschwindet, wird leicht stärker. Der Sensor meiner Kamera nimmt das Nordlicht dagegen intensiv wahr, leuchtend grün. Doch in dieser Nacht gibt das Nordlicht alles. Es wird breiter und länger, bis es sich schliesslich in einem Bogen über meinen Kopf zieht und hinter den Bergen wieder verschwindet. Keines ist wie das andere. Wow! Es fällt vom Himmel, es tanzt unter den Sternen, es funkelt grün und rot, zeitweise wie ein Diamant. Heute Nacht sehe ich die schönsten, intensivsten Nordlichter, die ich je gesehen habe. Meine Kamera kommt an den Anschlag, kann die Szenerie nicht mehr erfassen. Ich dagegen staune nur noch und geniesse diesen einmaligen Augenblick.

Was sehe ich da eigentlich? Nüchtern betrachtet sehen wir Sauerstoff- und Stickstoffionen, die durch geladenen Teilchen von der Sonne zum Leuchten gebracht werden. Je nach Höhe in Rot, Violett, Gelb oder Grün. Es gibt sogar schwarze Nordlichter. Die Aurora borealis leuchtet aber nur im sogenannten Polarlichtoval, das vom Magnetfeld der Erde gebildet wird. Es entsteht deutlich nördlich der Schweiz. Polarlichter in der Schweiz sind äusserst selten und wenn überhaupt, meistens nur schwach zu sehen. Island liegt dagegen sehr günstig. Die Chancen, dass hier Nordlichter beobachtet werden können, liegen bei 90% – wenn das Wetter mitmacht. Wie heute Abend. Optimal für die Beobachtung sind die Monate September, Oktober und März, dann treten die hellsten Polarlichter auf.
Wintertage in Island
Herbst – oder Winterferien in Island? So wie oben beschrieben können Ferientage im isländischen Winter oder im Spätherbst aussehen. Diese Zeit hat seinen ganz eigenen Reiz. Das mag daran liegen, dass ich mich vom angeblich schlechtem Wetter nicht so schnell abschrecken lasse. Obwohl: Fakt ist, dass die Temperaturen im Winter an den Küsten durchschnittlich kaum unter null Grad fallen, dem warmen Golfstrom sei Dank. Und bläst einem doch der bissige Wind um die Ohren, gibts ja noch die heissen Quellen. Nicht die zischenden, brodelnden. Sondern die stillen, schön warmen natürlichen Wellnessoasen!
Wundervolle Winterferien in Island – an den Eiswind angepasst – sind möglich. Nordlichter inbegriffen!

Eine Reise nach Island ist nicht einfach eine Reise in ein anderes Land, sondern eine Reise auf einen anderen Planeten!









