Eine magische Nordlichtnacht

Meine heutige Geschichte führt uns weit in den Norden, in arktische Gefilde. Hinein in eine magische Nordlichtnacht in Island. Wie so oft in den letzten Tagen stehe ich auch an diesem Abend auf der Holzterrasse unseres gemieteten Ferienhauses. Dies liegt etwas erhöht über dem Ufer des Fjords, von hier habe ich einen grandiosen Weitblick auf die wunderschöne Landschaft und auf die Berge am Horizont. 

Es ist Herbst in Island, aber für diese Gegend ein unglaublich warmer Abend. Lange sitze ich draussen vor dem Haus. In Flipflops und leichtem Pullover geniesse ich zuerst den Sonnenuntergang und anschliessend die blaue Stunde. Langsam wird es Nacht und ich fange an aufmerksam den Nachthimmel zu beobachten. Im Moment tut sich nichts. Es wird eine wolkenlose Nacht. Ungewöhnlich windstill, eine eigenartige Ruhe liegt über der Landschaft.

Mein Gefühl sagt mir, dass ich mich langsam vorbereiten sollte. Ich gehe rein ins Haus, ziehe mir warme Sachen an und bringe draussen meine Kamera in Position. Lösche alle Lichter im und rundum das Haus. Lange konzentriere ich mich nach oben auf den dunkelblauen, klaren und zugleich mit hellen Sternen übersäten Nachthimmel. Heute funkeln die Sterne besonders. Es erweckt den Anschein als würde die ganze Welt den Atem anhalten und gespannt darauf warten was als nächstes passiert. Inzwischen hat sich auch meine Partnerin warm angezogen und sich zu mir gesellt, späht ebenfalls gespannt hinaus in die schwarz werdende Nacht. 

Jedes Jahr nehmen tausende von Menschen die lange Anreise in den Norden auf sich um die wunderschönen Nordlichter zu sehen. Doch anders als bei einer Reise zu einer berühmten Sehenswürdigkeit oder einem anderen greifbaren Weltwunder gibt es bei den Nordlichtern keine Garantie, das atemberaubende Naturspektakel wirklich zu Gesicht zu bekommen. Es besteht lediglich die Möglichkeit zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Falls sich die Lichter schliesslich zeigen.

Ich prüfe nochmals meine Kamera, mache Testaufnahmen. Als ich mir mein letztes Testfoto anschaue, bemerke ich etwas auf dem Kameradisplay, dass mir vorher mit blossem Auge nicht aufgefallen ist. Ein kleines schwaches Band von fluoreszierendem Grün. Mein Blick wandert zum Horizont, aber ich kann noch nichts sehen. Oder doch? In Richtung Norden ist eine Art gräulicher Nebelschleier zu sehen welcher sich von den auflösenden Wolken unterscheidet. Tatsächlich, es ist ein ganz schwaches Nordlicht!

Nordlichter in der blauen Stunde in Island Iceland

Endlich ist es soweit, die Nordlichter erscheinen. Oft ist ein solcher gräulicher Schleier ein Anzeichen, dass das Leuchten der Nordlichter beginnt, stärker wird. Ein erstes Anzeichen, aber es kann sich noch lange hinziehen bis die Lichter hell erscheinen. Oder die grauen Schleier verschwinden einfach wieder in der Dunkelheit und Nordlichter zeigen sich in dieser Nacht gar nicht mehr. Doch heute Abend habe ich Glück, es braucht nur ein paar Augenblicke bis ein heller Schwall grüner Lichter am weiten Himmel auftaucht. Das ganze geschieht in unglaublicher Geschwindigkeit. Als hätte einer den Schalter umgelegt. Und dadurch den Fluss von Elektrizität hergestellt.

Eine magische Nordlichtnacht Polarlichter

Die Farben sind in einer Intensität, wie ich es noch nie gesehen habe. Ein leuchtendes Neongrün, dass sich schlecht mit etwas anderem vergleichen lässt. Daher ist es schwierig die angemessenen Worte und Metaphern zu finden, ein solches Erlebnis zu beschreiben. Es ist nicht greifbar. 

Als die strahlende Lichter über mich hinwegziehen, denke ich an Seide. So glatt und geschmeidig gehen die Lichter ineinander über. Jede Welle wirkt wie eine neue Falte in den Bahnen von fluoreszierendem Stoff. Zwischendurch verblassen die Lichter, wie Sand das durch ein Stundenglas fliesst. Doch dies ist nur von kurzer Dauer, schnell leuchten die Nordlichter auf und inzwischen bewegen sie sich am ganzen Himmel.

Eine magische Nordlichtnacht Polarlichter

Die Lichter fangen an zu tanzen, ein kosmisches Ballett der Farben. Heute ist wirklich mein Glückstag, die Nordlichter schwingen gerade über mir und zeigen sich in ihrer übernatürlichen Farbenpracht.

Meine Kamera habe ich vergessen, mir ist es wichtiger im gegenwärtigen Moment vollkommen präsent zu sein, das Wunder zu geniessen. Zum ersten Mal darf ich stark leuchtende grüne, manchmal lila und pinkfarbene Lichter mit blossem Auge tanzen sehen. 

Die Nordlichter spielen nach ihren eigenen Regeln, sie zu sehen ist ein wahrer Glücksfall. Insbesondere in dieser Intensität, es ist eine wahre Nordlichtexplosion heute Nacht. In wenigen Sekunden ändern sich die Bilder, als würde jemand die Himmelsleinwand dauernd komplett neu bemalen. 

Eine magische Nordlichtnacht

Polarlichter sind nicht von dieser Welt. Sie entstehen Millionen von Kilometer weit weg durch unsere Sonne und können heute wissenschaftlich exakt erklärt werden. Doch heute Nacht ist mir dies unwichtig, logischer erscheint mir gerade die Erzählungen in den alten nordischen Mythen. Vielleicht sind es ja doch Brücken der Götter ins Walhalla. Oder sind es einfach all die Leben die wir noch nicht gelebt haben?

Eine magische Nordlichtnacht Polarlichter

Nach Stunden in der Nacht löse ich mich vom Schauspiel, gehe rein ins Ferienhaus. Inzwischen ist es weit nach Mitternacht. Zusammen mit meiner Partnerin, die das ganze Schauspiel mit mir staunend beobachtet hat, nehme ich noch einen Drink. Beide können jetzt noch nicht ins Bett, zu aufgewühlt sind wir noch. Wir staunen einfach weiter, wie unglaublich es sich angefühlt hatte, die beeindruckenden Polarlichter am Himmel zu sehen. Diese flüsternden Lichter, die selbst die dunkelsten Teile des Himmels hell und magisch erleuchten.

Eine magische Nordlichtnacht

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