Boomende Städte, unglaubliche Landschaften, grosse Gefühle – meine Postkarte aus der wunderbaren Welt Irlands

Meine Postkarte kommt diesmal aus der wunderbaren Welt Irlands – eine Kurzreise zu boomenden Städte und unglaublichen Landschaften. Ein Wiedersehen und tatsächlich sie sind immer noch da, die grossen Gefühle für dieses Land.

Meine erste Reise nach Irland vergesse ich nie. Damals merkte ich sofort, dass ich eine Grenze überschritten hatte und in eine komplett andere Welt eintauchte. Alles erschien anders als in der Schweiz – die Gerüche, die Sprache, sogar die Armut schien auf der Insel akzeptiert zu sein. Das unverstellte Irland erschien mir als Gegenpol zu dem, was ich gewohnt war. Allerdings verstand ich Irland auf meiner ersten Reise nicht, erst zu Hause fing ich an eine Sehnsucht für dieses Land und ihre Menschen zu entwickeln. In den 1980er Jahren überrollte die Schweiz einen Kauf- und Autoboom sowie eine Reisewelle in exotische Länder. Irland stand dagegen da, als wäre es aus der Zeit gefallen.

Cottage am Mizen Head (West Cork, Co. Cork)

Endlich, wieder nach Irland

Von nun an zog es mich und meine Partnerin (fast) jedes Jahr nach Irland. Es gibt Orte auf der Welt, die einem tief im Herzen bleiben und einen immer wieder zurückziehen. Für mich liegt einer dieser Orte im irischen West Cork. Jedes Mal war ich von seiner Schönheit und der Freundlichkeit seiner Bewohner fasziniert. Doch dann kam Corona. Dies sowie andere Gründe haben mich quasi ausgebremst. Fünf Jahre lang konnte ich nicht mehr auf die grüne Insel zurückkehren und sie war nur noch eine Erinnerung. Doch nun habe ich es endlich wieder geschafft und ich war total neugierig zu sehen, was sich in dieser Zeit verändert hatte.

„Harry Potter“, „Game of Thrones“ und „Star Wars“

Verändert haben sich die Gründe, warum Touristen heute Irland besuchen. Heute stehen weniger Irlands Landschaften als die Drehorte so erfolgreicher Filme und Serien wie „Harry Potter“, „Game of Thrones“ und „Star Wars“ im Vordergrund. „Dirty Dublin“ ist schon lange zu einem Hot Spot für Städtereise und Junggesellenabschiede, Hen und Hag-Partys, geworden. Dublin ist “Overtourism” und die beliebten Stadtteilen wie Temple Bar sind immer brechend voll.

Rock of Cashel (Co. Tipperary )

Unsere Reise durch das Land of Saints and Scholars

Doch mich verzauberte auch das moderne Irland schnell wieder. Das Land of Saints and Scholars mit seiner Mischung aus Natur, Kultur und Gastfreundschaft ist völlig zu Recht in der ganzen Welt immer noch beliebt!

Unsere diesjährige Reise starteten wir in Connemara, es war ein Wiedersehen mit dieser faszinierenden Landschaft, die von majestätischen Bergen, atemberaubenden Küsten und unberührten Moorlandschaften geprägt ist.

Connemara (Co. Galway)

Von Connemara folgten wir der Westküste und unsere Reise führte uns in eine Region, welche überraschend karg ist: der Burren. Man sieht hier über weite Strecken keinen Fluss oder Bach. Ein Soldat, den es im 17. Jahrhundert hierher verschlagen hatte, beschrieb die Landschaft so: „Es gibt hier kein Wasser, um einen Mann zu ertränken. Keinen Baum, um ihn aufzuhängen. Und nicht genug Erde, um ihn zu begraben.“ Etwas makaber, aber passt. Und doch wird die Region von einem ausgedehnten Flusssystem durchzogen: im Untergrund. Die unterirdischen Flüsse sind für das Ökosystem des Burren-Nationalparks sehr wichtig: Sie lassen oben, zwischen den kargen Felsen, eine überraschende Vielfalt an Pflanzen gedeihen. Hier findet man Spezies in direkter Nachbarschaft, die sonst nur in verschiedenen Klimazonen vorkommen.

Burren (Co. Clare)

Vom Norden wechselten wir dann an die South West Coast der Insel. Es war das erhoffte Wiedersehen mit unserer „zweiten Heimat“ und mit unseren Freunden, die hier an der Südwestspitze Irlands leben. Skibbereen, Baltimore und Schull – auch wenn hier die Zeit langsamer zu laufen scheint, das Leben ist moderner geworden, aber irisch geblieben.

Baltimore (West Cork, Co. Cork)

An der Südküste Irlands

Auch unbekanntes sollte auf unserer kurzen Wiedersehens-Reise durch Irland nicht fehlen. Daher führte uns der Weg dann nach Ardmore, ein malerischer Küstenort in der Grafschaft Waterford. Die Küstenlinie hat es uns angetan, eine wunderbare Mischung aus Klippen, Stränden und Felsenbuchten. Doch Ardmore und die ganze Gegend hat auch eine lebendige und moderne Seite. Aufgrund seiner freundlichen Atmospähre ist es bei den Iren ein beliebtes Ziel mit Cafés sowie Restaurants, in denen man ausgezeichnete lokale Küche und hausgemachte Biere probieren kann.

Ardmore Beach (Co. Waterford)

Es gibt dieses Irland – immer noch!

Es gibt dieses Irland: wer aber hinfährt und es nicht findet, hat keine Ersatzansprüche an den Autor“; schrieb Heinrich Böll in seinem irischen Tagebuch.

Für mich gibt es dieses Irland – immer noch. Moderner und doch tief in der Weite. Mit windzerzausten Haaren habe ich aus rund 200 Metern Höhe vom Mizen Head auf den Atlantik geblickt oder habe die Heide- und Moorlandschaften Connemaras durchquert, ohne eine Menschenseele weit und breit zu treffen. Hier konnte ich Freiheit und Seelenruhe spüren. Irland berührte mich wieder. Hier überkommt mich eine besondere Stimmung, vielleicht, weil die Landschaft so im Einklang mit der Seele Irlands ist – oder ist es andersherum? Dieses Land zwischen Unterdrückung und Befreiungskampf, Melancholie und Ausgelassenheit, Rezession und Aufschwung, Emigration und Heimatverbundenheit bewegt etwas tief in mir.

Mizen Head (West Cork, Co. Cork)

Der Nationaldichter W. B. Yeats brachte dies zum Ausdruck:

“I will arise and go now, for always night and day / I hear lake water lapping with low sounds by the shore; / While I stand on the roadway, or on the pavements grey, / I hear it in the deep heart’s core.”

Aus W. B. Yeats’ Gedicht “The Lake Isle of Innisfree”

Armut, Schnelllebigkeit und Konsum

So weit der Blick auf mein idealisiertes Irland. Irland wäre aber nicht Irland, wenn hier die Lebensbedingungen oft auch schwer sind. Leider sind immer noch ganze Viertel in den Städten von heutiger Armut geprägt. Schnelllebigkeit und Konsum regiert die Insel, Umwelt – und Tierschutz werden oft bitter vernachlässigt.

Irland ist und bleibt ein widersprüchliches Land, das sich durch den Celtic Tiger, vom Aufschwung getrieben, vielleicht zu schnell von alten Werten gelöst hat.

Über alle diese irischen Seiten wurde schon viel geschrieben, ganze Bibliotheken. Auch weil die Iren und Irinnen für ihr ausschweifende Erzählfreude bekannt sind. Und selber merke ich, wie gerne ich mich dem mitunter rätselhaften Irland widme und die Schönheit und Rauheit in meinen Fotos und Texten zu vereinen suche. Irland bewegt – auch dazu, sich genauer mit diesem Land zu befassen.

Eine der neuen Erfahrungen – Paddle Boarding in Irland! (Lough Abisdedly, West Cork, Co. Cork)

Diese Reise hat mich inspiriert, wieder mehr über die grüne Insel zu schreiben, welche mich einfach nicht so schnell loslässt. Diese Insel draussen im Atlantik, wo sich die typischen Klischeevorstellungen von grünen Hügeln und Schafen durchaus bewahrheiten, wo aber noch so viel mehr dahintersteckt. Jeder meiner Begegnungen mit diesem Land, mit diesen Menschen könnte gleich wieder ein ganzes Buch füllen.

Für mich war diese Reise ein grosses Wiedersehen. Und hoffentlich komme ich bald wieder hierher auf diese grüne Insel. Vielleicht einmal einen ganz Sommer lang, so wie Heinrich Böll auf Achill Island:

“Diese Landschaft, wie sie sich ihm darbot, hatte nichts gemein mit der Weite der Steppe, mit ihren immensen Entfernungen, auch nichts mit dem Festland, nichts mit den von Menschen geschaffenen Kulturen. Die Landschaft Irlands musste in ihrer Schönheit und in ihrem, wenn auch schwachen, Überleben alles übertreffen, was man gesehen hatte.” 1957.

– Heinrich Böll, Irisches Tagebuch,

Liebe Grüsse aus Ardmore (Co. Waterford)

Unser Roadtrip durch Teile von Irland waren auch Genussferien (nicht nur Guinness und Irish Stew) und …
… Aktivferien 😉 !

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