Klosterstadt Campus Galli

Aus der Rubrik „Der Traveller“

Baufortschritt in der Klosterstadt

In einem Wald nahe des im Naturpark Obere Donau gelegenen Städtchens Messkirch entsteht die mittelalterliche Klosterstadt Campus Galli. Seit zehn Jahren bauen daran handwerkliche „Bauforscher und Bauforscherinnen“. Wie vor 1200 Jahren! Nach dem ältesten erhaltenen Plan des Mittelalters wird ein Kloster mit über 50 Gebäude gebaut und dies mit den damals zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten.

Der Heilige Gallus war eine einflussreiche Persönlichkeit des 6. und 7. Jahrhunderts nach Christus, der seine grösste Bedeutung im Bodenseeraum erreichte.

Campus Galli heisst übersetzt „Hofgut des Gallus“. In Erinnerung an den heiligen Gallus, dem Gründer des Kloster St.Gallen

Das Städtchen Messkirch ist nur unweit vom Bodensee entfernt, daher finde ich meistens einmal im Jahr den Weg hierhin. Einfach weil ich Neugierig bin, wie weit der Baufortschritt ist. Was ist wohl wieder Neues entstanden? Was wurde neu angefangen? Für mich ist die Rückkehr auf die frühmittelalterliche Baustelle immer auch eine Zeitreise in ein faszinierendes Unterfangen.

Von meinem letzten Besuch habe ich einige schöne Fotos mitgebracht, lass uns doch einfach gemeinsam durch die Klosterstadt Campus Galli zeitreisen.

Klosterstadt Campus Galli ist eine verrückte Idee! Mönche zeichneten im Mittelalter einen Klosterplan, 1200 Jahre später wird danach gebaut.

Eine verrückte Idee …

Das Campus Galli ist in erster Linie eine verrückte Idee. Reichenauer Insel-Mönche zeichneten im Jahr 830 nach Christus den berühmten St. Galler Klosterplan. Fast 1200 Jahre später hatte ein Journalist die Idee dieses mittelalterliches Kloster mit einer grossen Abteikirche, Wohnräumen, Werkstätten, Stallungen und Gärten nach diesem Plan zu bauen. Aus einer Vision wurde tatsächlich eine Baustelle, vor rund 10 Jahren fingen die Initianten mit dem Bau dieser Klosterstadt an. Fertigstellung der ganzen Anlage wird im Jahre 2060 sein, es wird mit einer Bauzeit von über 40 Jahren gerechnet! 

Campus Galli bei Messkirch

Baufortschritt

Vom Klosterplan ist noch (fast) nichts realisiert …

Vom Klosterplan ist auf den ersten Blick noch nicht viel verwirklicht worden. Und dies nach zehn Jahren! Der Grund dafür ist, dass zuerst ein „Handwerkerzentrum“ aufgebaut werden musste. Überall im Wald hat es Lichtungen, auf denen heute fleissig gewerkelt wird. Schreiner, Korbflechter, Töpfer, Schmiede, Schindelmacher, Drechsler, Weber, Steinmetze, Seiler und Färber haben inzwischen ihre Handwerkerhütten aufgebaut. Selbst die schöne Holzkirche ist kein Gebäude des Klosterplans. Diese entstand bereits in der Startphase und bildet für die Menschen ein zentrales Element, mit Klausurbereich, Wirtschaftsgebäuden und landwirtschaftlichem Betrieb. Diese Kirche ist nur temporär und wird später der grossen, aus Stein zu erbauenden Abteikirche weichen. Eigentlich eine unvorstellbare, handwerkliche Herausforderung ein solch monumentales Gebäude hier in den Wald zu stellen.

Vom alten Klosterplan sind bislang die grosse, mit Roggenstroh gedeckte Scheune, der Gemüsegarten und der Paradiesgarten realisiert worden.

Gemäss Klosterplan - die neue Klosterscheune in der Klosterstadt Campus Galli
Gemäss Klosterplan – die Klosterscheune

Vom Holz zu Stein

Das erste Steingebäude, das Nebengebäude im Abtshof, wird in Angriff genommen. Gemäss Klosterplan befinden sich in diesem Gebäude Küche, Vorratsraum, (Bad)-Stube sowie Schlafmöglichkeiten. In einem frühen Baustadium könnte es die erste Wohnmöglichkeit der Mönche gewesen sein. Für die heutigen „BauforscherInnen“ ist es ein epochaler Schritt, der Schritt vom Holz zum Stein. Erste Erfahrung machten sie bereits mit der Mauer, welche den Paradiesgarten (Walled Garden) umschliesst.

Paradiesgarten
Erste „Versuche“ in Stein – die Mauer, welche den Paradiesgarten umschliesst

Betreten der Baustelle erlaubt

Holz, Holz, Holz

Besonders fällt der Umgang mit Holz auf, überall werden Balken gehauen, Schindeln oder sogar Gefässe aus Holz hergestellt. Und viel „altes“ Know How kommt zum Vorschein. Beispielsweise beachten die SchindelmacherInnen beim Herstellen der Schindeln die Wuchsrichtung des Holzes. Diese sägen das Holz nicht etwa quer zur Faser auf, sondern trennen es mit dem Schindelmesser. Und dies erstaunlich gerade und gleichmässig!

Holzschuhe aus dem Mittelalter
Handwerk wie im Mittelalter

Die Klosterscheune

Die Scheune ist das neuste und bisher grösste Gebäude bei Campus Galli. Die Grundfläche misst ca. 11 × 22 m, die Höhe ca. 8 m. Das Dach ist mit heimischem Roggenstroh gedeckt. Es ist das erste Gebäude, welches auch auf dem Klosterplan der Reichenauer Mönche zu finden ist.

Klosterscheune mit Strohdach Roggenstroh in der Klosterstadt Campus Galli
Klosterscheune vorne
Klosterscheune mit Handwerker im Vordergrund
Klosterscheune mit Dach aus heimischen Roggenstroh

Holzkirche

Dieses sehr schöne Ensemble mit Kirche, Kreuzgang und Turm ist ein notwendiger Vorgänger des grossen Klosters, wie es der Plan von St. Gallen wiedergibt. Die Kirche entspricht funktional einer Abteikirche, die später durch einen Steinbau abgelöst wird.

Klosterstadt Campus Galli - die Holzkirche wird später durch einen Steinbau abgelöst
Abteikirche
In der Abteikirche Relief und Lampe
Glockenturm der mittelalterlichen Holzkirche, die Kirche ist nicht im Klosterplan eingezeichnet

Weberei

Für die Herstellung von Kleidung sind viele Arbeitsschritte notwendig sind. Die WeberIn reinigt und kämmt Schafwolle und Leinen. Diese wird dann zu Garn versponnen und auf dem Gewichtswebstuhl verwoben. Auch die Kleidungsstücke der Mitarbeiter werden hier genäht und repariert.

Schaffwolle
getrockente Blumen werden zum Färben benötigt
farbige Wolle rot, gelb, orange
Weberei in der Klosterstadt Campus Galli farbige Wolle in Erdtönen

Im Campus aufgeschnappt …

Grössenwahn?

Ein Besuch des Campus Galli lohnt sich. Auch wenn das Projekt irgend in einem Anflug von Grössenwahn entstanden sein muss, ist es eben eine tollkühne Idee, die hier zur Realität wird. Ob die Klosterstadt in 40, 50 Jahre oder überhaupt steht ist nicht wichtig. Es ist der Prozess, den geschichtlichen Übergang von Holz zu Stein selber mitzuerleben. Hier ist das Handwerk die Basis um das mittelalterliche Leben zu verstehen und besser kennen zulernen. Für die fleissigen „handwerklichen Bauforscherinnen und Bauforscher“ wie aber auch für uns als Besucher.

Mittelalterlich schlemmen

Stärken und etwas ausruhen kannst Du Dich auf dem Marktplatz. Es werden Speisen angeboten, die nach mittelalterlichem Geschmack zubereitetet werden. Zur Auswahl steht eine Karolingische Wurst, ein leckerer Linseneintopf oder ein Weizenfladen (Dennetle), der einem Flammkuchen ähnelt, alles sehr köstlich zubereitet. Dazu ein Met – der Honigwein darf nicht fehlen. Dieser wurde im Mittelalter von den besseren Schichten getrunken. Ein Kaffee? Fehlanzeige – wir sind ja im Mittelalter. Kaffee gelangte erst im 16. Jahrhundert nach Europa.

Heilkräutergarten

Hinter einem hellen Holztörchen, umgeben von einem dunklen Weidenzaun, liegt sie: die frühmittelalterliche Apotheke. Im St. Galler Klosterplan ist ein Klostergarten eingezeichnet, dieser wurde bereits nachgebaut und kann jetzt auf dem Campus Galli bewundert werden. Mit genau den Heilpflanzen, die damals schon eine Wirkung bei Krankheiten hatten.

Campus Galli - eine Handwerkerhütte in einer Waldlichtung Messkirch Donautal Baden Württemberg

Quelle: https://www.campus-galli.de/
Fotos: Michael’s Beers & Beans (Dieser Blog ist nicht kommerziell.)

Die Website vom Campus Galli ist sehr gut gemacht, dort finden sich ganz viele (auch wissenschaftliche) Informationen

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